
Was dein MBA dir nicht über echte Beratungsprojekte erzählt hat
Liebe Projektmanagement-Enthusiasten und solche, die es noch werden wollen!
Hier meldet sich wieder Jörg Tausendfreund, Projektmanagement-Erklärer und PowerPoint-Künstler. Heute packen wir ein Thema an, das mir nach vielen vielen Jahren im Beratungsgeschäft immer noch schlaflose Nächte bereitet:
Die Kunst, Beratungsprojekte nicht gegen die Wand zu fahren.
Und ja, ich spreche aus Erfahrung - sowohl auf der Crash- als auch auf der Erfolgsseite.
Die unbequeme Wahrheit über Beratungsprojekte
Lass uns ehrlich sein: Die meisten Beratungsprojekte starten mit einer schicken Präsentation, enden in Chaos und dazwischen liegt eine Phase, die wir euphemistisch als "agiles Projektmanagement" bezeichnen. Aber es muss nicht so sein.
Die Top 5 Karriere-Killer in Beratungsprojekten
1. Das "Ich-weiß-alles"-Syndrom
Du kommst mit deinem MBA und drei Jahren Erfahrung zum Kunden und erklärst ihm sein 30 Jahre altes Geschäft? Gratulation - du hast gerade den ersten Nagel in deinen Projekt-Sarg geschlagen.
2. Die PowerPoint-Falle
200 Folien Analyse
50 Folien Handlungsempfehlungen
0 Folien echte Umsetzung Kommt dir bekannt vor?
3. Das Stakeholder-Chaos
Du denkst, der CEO ist dein wichtigster Stakeholder? Warte, bis dir die Assistentin der Abteilungsleiterin den Meetingroom nicht mehr bucht.
4. Die Kultur-Ignoranz
"Kultur isst Strategie zum Frühstück" - und deine schicken Framework-Folien gleich zum Nachtisch.
5. Das Change-Management-Desaster
Change-Management ist nicht, einen Newsletter zu verschicken und zu hoffen, dass sich alle freuen.
Was wirklich funktioniert
1. Authentisches Stakeholder-Management
Was nicht funktioniert:
Stakeholder-Matrix in Excel
Quartalsweise Updates
Standardpräsentationen
Was wirklich hilft:
Kaffee trinken (ja, auch mit dem "unwichtigen" Teamleiter)
Zuhören (und zwar richtig)
Probleme lösen (statt nur zu dokumentieren)
2. Integration in die Kundenorganisation
Der Rookie-Ansatz: "Wir sind die Experten, ihr seid die Unwissenden."
Der Profi-Ansatz:
Demut zeigen
Von der Organisation lernen
Lösungen gemeinsam entwickeln
3. Methodische Kompetenz mit Augenmaß
Nicht:
"Wir machen das jetzt agil" (in einer Organisation, die noch Memos per Fax verschickt)
"Unser standardisiertes Framework passt immer" (tut es nicht)
"Das haben wir immer so gemacht" (der Todeskuss jeder Innovation)
Sondern:
Methoden an die Kundenrealität anpassen
Flexibel bleiben, aber strukturiert arbeiten
Pragmatismus vor Perfektion
Ein Praxisbeispiel aus meiner eigenen Beraterhölle
Letztes Jahr: Großer Kunde, klassisches Transformationsprojekt. Das übliche Setup:
CEO will Revolution
Mittleres Management in Schockstarre
Mitarbeiter zwischen Zynismus und Burnout
Was haben wir gemacht?
Erst verstehen, dann beraten
2 Wochen nur zugehört
Keine einzige PowerPoint-Folie
Kaffeekonsum verdreifacht
Stakeholder-Management neu gedacht
Informelle Führungskräfte identifiziert
Change-Agents auf allen Ebenen aktiviert
Widerstände als Feedback begriffen
Umsetzung mit Bodenhaftung
Kleine, schnelle Erfolge
Kontinuierliche Anpassung
Echtes Co-Creation statt Beraterdiktat
Das Ergebnis?
Projekt erfolgreich abgeschlossen
Kunde zufrieden
Team stolz
Und ja, immer noch hoher Kaffeekonsum
Meine drei goldenen Regeln für Beratungsprojekte
Demut vor der Kundenrealität Der Kunde mag deine Theorien nicht kennen, aber er kennt sein Geschäft.
Menschen vor Methoden Das beste Framework ist nutzlos, wenn die Menschen nicht mitgehen.
Nachhaltige Veränderung braucht Zeit Rom wurde auch nicht an einem Beratertag gebaut.
Mein Fazit
Erfolgreiche Beratung ist wie eine gute Ehe: Es braucht Verständnis, Kommunikation und die Bereitschaft, sich auch mal anzupassen. Und manchmal muss man einfach die Klappe halten und zuhören.
Bis zum nächsten Mal.
Jörg Tausendfreund
Projektmanagement-Erklärer & Projekt-Begleiter
P.S.: Und wenn dein Kunde sagt "Das haben wir schon immer so gemacht" - atme tief durch und bestell noch einen Kaffee. Es wird ein längeres Projekt.
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