Emotionale Intelligenz ist der härteste Hard Skill im Projekt
- Jörg Tausendfreund
- 15. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

...und ja, man kann sie trainieren
Hallo, meine lieben Krisenflüsterer und Teamdompteure!
Hier ist wieder euer Jörg Tausendfreund, Projektmanagement-Erklärer und der Mann, der mehr Projekte an stillen Spannungen scheitern sah als an fehlenden Gantt‑Diagrammen.
Meine These heute:
Ohne emotionale Intelligenz (EQ) ist jedes Methodenset nur Deko.
Prozesse, Tools, KPIs – alles schön und gut. Aber Führung und Zusammenarbeit entscheiden. Und die sind nun mal zutiefst emotional.
EQ ist kein Kuschelfaktor – es ist Führungsleistung
„Wir brauchen harte Fakten, keine Gefühle!“ – Wenn du das glaubst, hast du Führung missverstanden.
Emotionale Intelligenz bedeutet, eigene und fremde Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen, zu regulieren und konstruktiv einzusetzen. Kurz: Du bleibst handlungsfähig, auch wenn es menschelt.
Was das im Projekt konkret heißt:
Du erkennst früh, wenn Spannung entsteht – und sprichst sie an, bevor sie eskaliert.
Du regulierst dich selbst (ja, auch im Lenkungskreis, wenn’s knirscht).
Du kommunizierst so, dass andere dich wirklich verstehen – nicht nur hören.
Merke: EQ ist die Bedienoberfläche für alle anderen Skills.
Zwei Modelle, die du beherrschen solltest (und wozu sie gut sind)
Mayer‑Salovey (Fähigkeiten):
Emotionen wahrnehmen
Emotionen nutzen (für Denken/Problemlösen)
Emotionen verstehen (Auslöser, Dynamik)
Emotionen regulieren (eigene & fremde)
Wozu? Perfekt, wenn du EQ systematisch diagnostizieren und gezielt trainieren willst (z. B. in Coachings oder Assessments).
Goleman (Kompetenzen):
Selbstwahrnehmung
Selbstregulation
Motivation
Empathie
Soziale Fähigkeiten
Wozu? Ideal für die Praxis: Führung, Zusammenarbeit, Konfliktlösung, Kulturarbeit. Nimm es als Landkarte für deinen Führungsalltag.
Mein Rat: Nutze Mayer‑Salovey zum Messen & Strukturieren, Goleman zum Führen & Trainieren.
Wo EQ in Projekten Wirkung entfaltet (und Budget rettet)
Kommunikation: Klar, empathisch, zielgerichtet – besonders in heiklen Feedback‑ oder Eskalationsgesprächen.
Teamarbeit: Gruppendynamik lesen, psychologische Sicherheit aufbauen, Vertrauen halten – auch unter Druck.
Führung: Motivation stärken, Stress kanalisieren, Rückschläge verarbeiten, Fokus halten.
Konflikte: Ursachen erkennen, Emotionen adressieren, Lösungen verhandeln – ohne verbrannte Erde.
Bottom line: EQ reduziert Reibung, beschleunigt Entscheidungen und macht Ergebnisse wahrscheinlicher.
Das LEAD‑EQ‑Framework – mein Praxisfahrplan für Führung mit Wirkung
L – Label & ListenGefühle benennen, aktiv zuhören, Nonverbales spiegeln. Frage: „Was ist hier gerade wirklich los – fachlich und emotional?“
E – Empathize & EnquirePerspektive der anderen Seite einnehmen und klärende Fragen stellen. „Worauf zahlen wir hier ein? Was ist dir wichtig?“
A – Anticipate & AdjustTrigger erkennen, eigene Reaktionen steuern, Intervention wählen (1:1, Moderation, Time‑out, Re‑Framing).
D – Decide & DocumentKonkrete Zusagen („Wer macht was bis wann?“), Entscheidungslogik transparent, Decision Log pflegen.
EQ‑Rituale dazu: Check‑ins/Check‑outs, Red‑Flag‑Runden, Retro mit „Heat‑Map“, Weekly One‑Pager (Ziel/Progress/Blocker/Entscheidungen), 48h‑Entscheidungs‑SLA.
Praxisteil: Ein Fall aus der Realität
Setting: Go‑Live‑Vorbereitung, Stresslevel orange. Fachbereich wirft der IT mangelnde Transparenz vor, die IT spricht von „unkonkreten Anforderungen“.
Intervention mit LEAD‑EQ:
L10‑Min‑Check‑in. Jeder benennt 1 Gefühl + 1 Sorge.
EGemeinsames Zielbild („Was bedeutet erfolgreicher Go‑Live konkret?“).
ATrigger‑Karte: „Was bringt dich auf die Palme?“ – Gegenmaßnahmen festlegen.
DOne‑Pager + Decision Log; zwei schnelle Prototyp‑Demos, Review in 48h.
Ergebnis nach 1 Woche: Deutlich weniger Eskalationen, klare Prioritäten, zwei kritische Risiken entschärft – Go‑Live bleibt im Slot.
Trainierbar? Ja – aber bitte richtig.
Wirksame Mikro‑Gewohnheiten (ab heute):
Emotions‑Journal (5 Min/Tag): Gefühl benennen, Auslöser, Wirkung, nächster Schritt.
Atem‑Mikropause (3× täglich 60 Sek.): Nervensystem runterfahren, Klarheit rauf.
Trigger‑Mapping: Eigene Auslöser identifizieren und präventive Strategien festlegen.
Aktives Zuhören: Zusammenfassen, spiegeln, nachfragen – bis die andere Seite „genau!“ sagt.
Feedback‑Loop: Monatlich 1× 360°‑Mini („Was soll ich mehr, weniger, weiter tun?“).
Trainings‑Design, das hängen bleibt:
6–8 Wochen, modular (Microlearning + Praxisaufgaben + Peer‑Austausch)
Rollenspiele zu echten Fällen, Follow‑ups (30/60/90 Tage)
Verknüpfung mit bestehenden Routinen („Habit Stacking“)
Transfer in KPIs: z. B. „Time‑to‑Decision“, Eskalationsrate, Zufriedenheit im Team
Fünf sofort umsetzbare Schritte
EQ‑Startsignal: Nächste Woche 30‑Min‑Team‑Session: Was stärkt/ schwächt unsere Zusammenarbeit emotional? Ergebnis als A3 sichtbar machen.
Check‑ins standardisieren: Beginn jedes Meetings: 1 Satz Stimmung + 1 Erwartung. Ende: 1 Satz Take‑away + 1 Zusage.
Decision‑SLA einführen (48h): Offene Punkte mit Wirkung sichtbar tracken.
Retro „Heat‑Map“: Was war emotional heiß/kalt? Was lernen wir? Welche Micro‑Gewohnheit testen wir 2 Wochen?
Leader‑Routine 10‑10‑10: 10 Min Journal, 10 Min Zuhören „ohne Lösung“, 10 Min Feedback geben/holen – täglich.
Typische Fallstricke (und wie du sie umschiffst)
Feelings‑Washing: Gefühle dekorativ ansprechen, aber nichts ändern. Lösung: Immer mit Entscheidung koppeln.
Therapie statt Führung: EQ ersetzt keine Performance‑Standards. Lösung: Klarheit + Empathie, nicht „entweder‑oder“.
Einmal‑Workshop‑Illusion: Ohne Follow‑up und Rituale verpufft alles. Lösung: Cadence (Wiederholung) und Commitments (sichtbare Zusagen).
Fazit: EQ macht dich schneller, klarer, wirksamer
Wer EQ beherrscht, führt besser, lernt schneller und liefert verlässlicher. Nicht, weil alles harmonisch ist – sondern weil du in der Realität mit Menschen handlungsfähig bleibst.
Also, liebe Führungskräfte und Projektleitungen:
Trainiert euren EQ so ernsthaft wie euer Reporting.
Es ist die günstigste Versicherung gegen teure Eskalationen.
Bis zum nächsten Mal.
Jörg Tausendfreund
Projektmanagement-Erklärer & Emotionen-Erleber
P.S.: Wenn du beim nächsten Konflikt denkst: „Dafür habe ich jetzt keine Zeit“, sag dir: Genau dafür ist Führung da. Ein guter EQ spart dir die Zeit, die schlechte Führung später verbrennt.
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