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Projektmanagement ohne Kompass

Projektmanagement ohne Kompass - Warum Methodenfreiheit kein Freifahrtschein ist
Projektmanagement ohne Kompass - Warum Methodenfreiheit kein Freifahrtschein ist

Warum Methodenfreiheit kein Freifahrtschein ist


Hallo, meine lieben Projekt-Pioniere und Improvisations-Genies!


Hier ist wieder euer Jörg Tausendfreund, Projektmanagement-Erklärer und der Mann, der schon mehr Projekte an zu viel Freiheit scheitern sah als an zu wenig Bürokratie.


Meine These heute:


Methodenfreiheit ist großartig – solange sie nicht mit Beliebigkeit verwechselt wird. 


Denn was viele Organisationen gerade erleben, ist kein agiles Mindset, sondern ein methodisches Bermuda-Dreieck.


Willkommen im echten Leben, wo jedes Projekt seine eigene Sprache spricht – und alle ständig Übersetzer spielen müssen.



Willkommen im täglichen Wahnsinn

Stell dir vor: Du kommst montags in ein neues Projekt. Neues Tool, neue Begriffswelt, neue Logik. Der eine spricht von Epics, der andere von Arbeitspaketen, der dritte von Deliverables. Und irgendwo schwebt ein Excel-Sheet, das alles dokumentieren soll, aber niemand pflegt.


Willkommen im Alltag: Kein einheitliches Projektmanagement, sondern ein Flickenteppich aus Tools, Methoden und Egos. Alle meinen es gut. Aber jeder bastelt sein eigenes System.


Das Ergebnis? Reibung, Verwirrung, Doppelarbeit.

Organisationen reden über Effizienz, Standards und Digitalisierung – aber in ihren Projekten herrscht oft gepflegte Anarchie.


Und mitten in diesem Methoden-Chaos sitzen Menschen, die eigentlich nur eines wollen: ihre Arbeit gut machen.




Warum passiert das überhaupt?

Das Durcheinander ist selten böser Wille. Es entsteht aus vier Missverständnissen:


  1. Agilität wurde missverstanden. „Wir machen jetzt Scrum!“ – aber ohne Backlog, ohne Sprints, ohne Product Owner. Hauptsache, das Wort klingt modern. Ergebnis: Chaos unter neuem Etikett.


  2. Freiheit wird mit Verantwortungslosigkeit verwechselt. „Wir wollen keine Bürokratie!“ klingt charmant – bis keiner mehr weiß, wer entscheidet.


  3. Tools ersetzen keine Struktur. Jira, Asana, MS Project, Notion – jedes Team schwört auf etwas anderes. Das Problem: Transparenz endet am Toolrand.


  4. Standardwerke verstauben in der Schublade. Es gibt zwar ein PM-Handbuch – aber keiner liest’s. Zu formal, zu alt, zu lebensfern. Also erfindet jeder sein eigenes System.


Das Ergebnis? Methodenvielfalt ohne gemeinsame Sprache.




Die unbequeme Wahrheit dabei

Einheitliche Standards sind keine Lösung – aber totale Freiheit auch nicht. Standardisierung schafft Klarheit, ja. Aber sie kann auch lähmen. Zu viel Struktur killt Eigenverantwortung. Zu wenig Struktur killt Wirksamkeit.


Die Wahrheit liegt dazwischen:


Zwischen Regel und Rebellion. Zwischen Struktur und gesundem Menschenverstand. Zwischen „Wir machen das immer so“ und „Jeder macht’s, wie er will.“


Projektmanagement ist keine Religion – es ist ein Handwerk. Und das wichtigste Werkzeug darin heißt Urteilsvermögen.


Das nennt sich im PMBOK 7 „Tailoring“: Passe das Vorgehen an dein Projekt an – nicht an deine Lieblingsmethode.


Aber Achtung: Tailoring ist keine Einladung zur Willkür. Es verlangt Reife, Erfahrung und gemeinsame Leitplanken. Sonst wird aus Anpassung schlicht Chaos.




Das eigentliche Problem: Orientierungslosigkeit

Wenn jede Projektleitung ihr eigenes System fährt, trifft es vor allem diejenigen, die in mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten.


Sie müssen täglich umlernen: Heute klassisch, morgen agil, übermorgen hybrid – und dazwischen Excel.


Diese Kontextwechsel sind kognitive Schwerstarbeit. Sie fressen Energie, Fokus und Motivation. Gute Leute verlieren ihre Wirksamkeit, nicht weil sie unfähig sind – sondern weil das System keine Klarheit bietet.




Die gute Nachricht: Du kannst trotzdem souverän bleiben

Auch wenn die Organisation chaotisch ist – du musst es nicht sein. Du kannst lernen, dich methodenneutral zu bewegen – so, als würdest du mehrere Sprachen fließend sprechen.


Was du dafür brauchst, sind vier Grundprinzipien:


  1. Verstehe die Logik hinter dem Vorgehen. Jede Methode versucht, Unsicherheit zu managen – nur auf unterschiedliche Weise.


  2. Frage nach den Spielregeln. Wer entscheidet was? Wie läuft Reporting? Wo liegt der Fokus – Risiko, Qualität, Geschwindigkeit?


  3. Finde die minimalen Orientierungspunkte. Jedes Projekt hat einen Zweck, einen Plan, ein Risiko und eine Kommunikationsstruktur. Wenn du diese vier erkennst, findest du dich überall zurecht.


  4. Sprich Klartext. Sag, wenn du Begriffe nicht verstehst. Frag nach, wenn du unsicher bist. Transparenz ist kein Risiko – sie ist dein Schutzschild.




Das Rosetta-Prinzip – die Sprache der Methoden verstehen

So wie der Rosetta-Stein Sprachen verband, verbindet das Rosetta-Prinzip die Welten des klassischen, agilen und hybriden Projektmanagements.


Beispiel: Ein klassischer Meilenstein entspricht oft einem Sprint-Review im Agilen. Ein Change Request ähnelt einer Backlog-Repriorisierung. Die Definition of Done ist das agile Pendant zur Abnahme.


Wenn du die Intention hinter Begriffen verstehst, brauchst du kein Wörterbuch mehr. Du kannst fließend zwischen Frameworks wechseln – und damit Projekte führen, statt dich von Methoden führen zu lassen.




Methodenflexibilität – die Zukunftskompetenz der Projektarbeit

In Zukunft zählt nicht, ob du Scrum, PRINCE2 oder Wasserfall beherrschst. Sondern ob du die Prinzipien hinter diesen Methoden anwenden kannst – bewusst, situativ, effektiv.

Methodenflexibilität heißt: Nicht jedem Trend folgen, aber auch nicht an alten Dogmen festhalten. Es ist die Fähigkeit, zwischen Systemen zu navigieren, ohne dich zu verlieren.


Das ist kein Talent. Das ist trainierbar.




Der 10-Punkte-Selbsttest: Wie methodenflexibel bist du wirklich?

Bewerte ehrlich von 1 (trifft gar nicht zu) bis 5 (trifft voll zu):


  1. Ich kann erklären, warum eine Methode so funktioniert, wie sie funktioniert – nicht nur, wie sie heißt.


  2. Ich frage zu Beginn eines Projekts nach Zielen, Spielregeln und Entscheidungswegen.


  3. Ich erkenne, wenn eine Methode nicht mehr zum Kontext passt – und spreche das an.


  4. Ich kann Begriffe aus verschiedenen Methoden (z. B. Meilenstein vs. Sprint) übersetzen.


  5. Ich arbeite mit klaren Prinzipien (Ziel, Risiko, Transparenz, Verbindlichkeit), egal welches Tool ich nutze.


  6. Ich nutze Standards als Rahmen – nicht als Ausrede.


  7. Ich halte Klarheit wichtiger als Perfektion.


  8. Ich bin in mindestens zwei PM-Frameworks sattelfest.


  9. Ich habe keine Angst vor Methodenwechseln – ich sehe sie als Lernchance.


  10. Ich kann anderen helfen, Ordnung ins Methoden-Chaos zu bringen.


Auswertung:

  • 35–50 Punkte: Du bist ein Methoden-Architekt. Du baust Brücken zwischen Systemen – bleib dran, andere brauchen dich.


  • 20–34 Punkte: Du bist ein Framework-Denker. Du erkennst Muster, nutzt Prinzipien – schärfe dein Urteilsvermögen.


  • <20 Punkte:  Du bist ein Instinkt-Pilot. Du überlebst, aber steuerst auf Sicht – jetzt ist der Moment, bewusster zu navigieren.




Minimum Viable Governance – Struktur ohne Bürokratie

Governance klingt nach Formular, ist aber dein Sicherheitsnetz.


Vier Dinge braucht jedes Projekt – egal ob agil oder klassisch:


  1. Zielklarheit: Warum machen wir das? Was ist der Impact?


  2. Rollen & Entscheidungen: Wer darf was entscheiden?


  3. Transparenz: Welche Infos sind für alle sichtbar – wo und wie oft?


  4. Verbindlichkeit: Wann ist etwas wirklich „Done“?


Wenn diese vier Punkte klar sind, ist fast egal, welches Tool oder Framework du nutzt. Dann hast du eine funktionierende Basis – und kannst dich auf das konzentrieren, was zählt: Fortschritt.




Drei Szenarien aus der Praxis

1. Das agile Projekt, das keins ist. Sprints ohne Backlog, Dailys ohne Ziel, Scrum Master mit Alleinentscheidungsrecht. Deine Aufgabe: Methodenneutral denken. Fokus auf Ziel, Risiko, Kommunikation – und retten, was zu retten ist.


2. Der Wasserfall mit agilen Etiketten. Phasen heißen jetzt Sprints, Änderungen dauern ewig. Deine Aufgabe: Übersetzen. Kleine Plan-Schritte schaffen, Ergebnisse sichtbar machen, Transparenz hochhalten.


3. Das Multi-Projekt-Labyrinth.

Drei Projekte, drei Tools, drei Sprachen. Deine Aufgabe: Eigenen Mini-Standard schaffen. Einheitliche Notizen, eigene To-Do-Liste, klarer Überblick – für dich und andere.




Fazit: Methodenfreiheit ist kein Chaos – wenn du Haltung hast

Projektarbeit wird nicht einfacher. Sie wird komplexer, vernetzter, schneller.Aber du hast eine Wahl:


Dich vom Methoden-Chaos mitreißen lassen – oder souverän darin navigieren.



Du brauchst keine perfekte Methode. Du brauchst Orientierung, Haltung und den Mut, Fragen zu stellen.


Standardisierung ist bequem – aber Bewusstheit ist stärker.


Bis zum nächsten Mal.


Jörg Tausendfreund

Projektmanagement-Erklärer & Verteidiger der Orientierung im Projekt


P.S.: Wenn du heute nur einen Schritt gehst, dann diesen: Erkläre in deinem nächsten Meeting warum ihr so arbeitet, nicht nur wie. Das schafft mehr Klarheit als jedes neue Tool.

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