Vergiss die Prozesse! – Oder etwa doch nicht?
- Jörg Tausendfreund
- 22. Feb.
- 3 Min. Lesezeit

Vergiss die Prozesse! – Oder etwa doch nicht?
Hallo, meine lieben Strukturapostel und Chaosliebhaber!
Hier meldet sich euer Jörg Tausendfreund, Projektmanagement-Erklärer und der Mann, der mehr Prozesse gesehen (und durchbrochen) hat, als so mancher Controller Excel-Tabellen.
Heute nehmen wir ein Thema auseinander, das in Unternehmen regelmäßig hitzige Diskussionen auslöst: Prozesse.
Sind sie das Rückgrat moderner Organisationen oder der schleichende Tod jeder Innovation?
Brauchen wir sie, um Effizienz zu sichern, oder sollten wir sie lieber alle in die Tonne kloppen, um endlich wieder handlungsfähig zu sein?
Lasst uns den Mythos zerlegen – schonungslos, ehrlich und praxisnah.
Prozesse: Lebensretter oder Innovationskiller?
Zugegeben: Prozesse haben ihre Berechtigung. Besonders in produzierenden Branchen sind sie unverzichtbar. Niemand will ein Auto kaufen, dessen Teile nach Lust und Laune zusammengewürfelt wurden.
Qualität, Sicherheit und Verlässlichkeit – das sind die heiligen drei Gründe, warum Prozesse dort funktionieren müssen.
Aber – und jetzt kommt das große ABER – was passiert, wenn diese Prozesse zum Selbstzweck werden?
Wenn Teams mehr Zeit damit verbringen, Checklisten abzuarbeiten, als tatsächliche Arbeit zu erledigen?
Wenn jede kleine Entscheidung durch drei Gremien, zwei Freigabeschleifen und einen endlosen E-Mail-Thread geschickt werden muss?
Dann ist der Prozess nicht mehr Helfer, sondern Bremsklotz.
Wann Prozesse sinnvoll sind (und wann nicht)
✅ Prozesse sind sinnvoll, wenn...
Standardisierung gefragt ist: In der Massenproduktion und bei sicherheitskritischen Aufgaben sind klare Abläufe Pflicht.
Qualitätssicherung an erster Stelle steht: Reproduzierbare Ergebnisse sind nur mit sauberen Prozessen möglich.
Compliance und gesetzliche Anforderungen es verlangen: Wer hier schludert, zahlt später – mit Geld oder Reputation.
🚫 Prozesse sind hinderlich, wenn...
Sie veraltet sind: Was vor fünf Jahren gut war, kann heute gnadenlos ausbremsen.
Sie blind befolgt werden: „Das haben wir immer so gemacht“ – der wohl gefährlichste Satz in jedem Unternehmen.
Sie als Ausrede dienen: „Das ist nicht meine Schuld, der Prozess schreibt das so vor.“ Aha. Verantwortung? Fehlanzeige.
Innovation gefragt ist: Starre Strukturen ersticken kreative Lösungsansätze im Keim.
Hybride Prozessgestaltung: Der Spagat zwischen Ordnung und Flexibilität
Es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß. Hybride Modelle kombinieren das Beste aus beiden Welten:
Stabile Prozesse dort, wo es nötig ist: Sicherheit, Qualität und Effizienz bleiben gewährleistet.
Agilität dort, wo Flexibilität zählt: Produktentwicklung, Marketing oder Innovationsprojekte profitieren von schnellen Iterationen.
🚀 Praxisbeispiel: Ein Lebensmittelhersteller standardisiert die Produktionslinie (Lebensmittelsicherheit!), aber das Verpackungsdesign wird in agilen Sprints entwickelt. Ergebnis? Gleichbleibende Qualität und gleichzeitig kreative Freiheit.
💡 Mein Rat: Setze Prozesse dort ein, wo sie wirklich Mehrwert bieten – und traue dich, sie da abzuschaffen, wo sie nur noch Ballast sind.
Wann Chaos produktiver sein kann als jeder Prozess
Ja, ihr habt richtig gelesen: Manchmal ist gezieltes Chaos der bessere Weg. Besonders wenn:
Schnelle Entscheidungen gefragt sind: In Krisen hat niemand Zeit, auf die nächste Freigaberunde zu warten.
Innovation im Fokus steht: Freies Brainstorming ohne Regeln bringt oft die besten Ideen.
Teams klein und schlagkräftig sind: Start-ups machen es vor: Weniger Prozess, mehr Bewegung.
⚠️ Aber Vorsicht: Unkontrolliertes Chaos führt zu Ressourcenverschwendung und Frust. Der Schlüssel ist kontrolliertes Entfesseln – Freiräume geben, aber Ergebnisse einfordern.
Fazit: Prozesse? Ja, aber bitte mit Verstand!
Ein schlechter Prozess ist schlimmer als keiner. Warum? Weil er trügerische Sicherheit vorgaukelt, wo eigentlich Flexibilität gefragt wäre. Prozesse sind Werkzeuge – nicht mehr und nicht weniger. Sie sollen helfen, nicht hindern.
🔑 Meine Empfehlung:
Hinterfrage bestehende Prozesse regelmäßig. Nur weil sie existieren, heißt das nicht, dass sie sinnvoll sind.
Fördere Eigenverantwortung: Ein guter Prozess befähigt – er gängelt nicht.
Nutze hybride Ansätze: Stabilität da, wo sie gebraucht wird, und Flexibilität dort, wo sie den Unterschied macht.
Trau dich, auch mal kontrolliertes Chaos zuzulassen – Innovation entsteht selten in Excel-Sheets.
Bis zum nächsten Mal.
Jörg Tausendfreund
Projektmanagement-Erklärer & Fan sinnvoller PM-Prozesse
P.S.: Wenn du gerade einen Prozess abarbeitest, der sich wie ein Marathon im Kreis anfühlt – dann frag dich mal: Wozu eigentlich? Und wenn dir die Antwort niemand liefern kann, ist es Zeit, etwas zu ändern. 😉
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